Die (un)politische(?) Schwarze Szene

Sucht man nach Beschreibungen der Schwarzen Szene, liest man darin fast unweigerlich, die Szene sei „unpolitisch“. Doch stimmt das wirklich? Ist „unpolitisch“ nicht oft ein nur Euphemismus für „desinteressiert“ oder gar „ahnungslos“?

Eine Szene wird über gemeinsame Interessen und Geschmäcker ihrer Akteure definiert. Für die Schwarze Szene gilt sicher, dass es keine einheitliche und vordergründige politische Einstellung gibt, durch die die Szene definiert wird, doch das ist nicht gleich zu setzen mit „nicht an Politik interessiert“. Meiner Erfahrung nach hat (mit wenigen Ausnahmen) so ziemlich jeder Mensch eine politische Meinung. Und ist nicht auch schon der Mehrheitsgesellschaft gleichgültig bis ablehnend gegenüber zu stehen eine politische Meinung? Mit wenigen Ausnahmen leben alle Menschen in einer Gesellschaft, deren Regeln und Gepflogenheiten sie mehr oder weniger folgen. Je weniger sie mit diesen zufrieden sind, desto eher äußern sie ihre Ablehnung auf die eine oder andere Weise. Dies an sich ist schon ein politischer Akt. Die Entwicklung der Schwarze Szene, wie auch ihr anhaltendes Fortbestehen, waren und sind auch eine Reaktion auf gesellschaftliche Umstände. Oder vereinfacht gesagt: Menschen, die in der Gesellschaft, in der sie leben, restlos zufrieden sind, versuchen nicht, sich durch Kleidung und Habitus von eben dieser abzuheben.

Die Szene hat keine einheitliche politische Position, das Spektrum anzutreffender Meinung reicht von (leider) rechts außen bis links außen, wobei meiner Meinung nach (und vermutlich historisch bedingt durch die Entwicklung aus dem Punk heraus) zentrumsnahe und linke Meinungen glücklicherweise weit zu überwiegen scheinen. Politische Äußerungen mögen in der Szene keine herausragende Rolle spielen, sie sind jedoch klar vorhanden und werden sensibel registriert. Diskussionen um die WGT-Kartenmotive, wie die berüchtigte schwarze Sonne auf der Obsorgekarte von 2009, um Uniformen oder um Musiker wie Josef Maria Klumb (Von Thronstahl) oder Douglas Pearce (Death In June) zeigen ohne jeden Zweifel, dass politische Positionen in der Szene aber durchaus eine Rolle spielen. Nicht zuletzt sind Gruppen wie die „Gruftis gegen Rechts“ und Bands mit politischen Texten wie z.B. London After Midnight Ausdruck eines ausgeprägten politischen Bewußtseins. Auch scheint die Toleranz gegenüber extremen Meinungen besonders aus dem rechten Spektrum in der Szene nicht größer zu sein als im Rest der Gesellschaft. Im Gegenteil: rechte Positionen werden in der Regel (und aus meiner Sicht: zurecht) nicht toleriert, bei Veranstaltungen z.B. werden als problematisch angesehene Symbole bzw. deren Träger oft schon am Eingang abgewiesen.

Bei aller Toleranz ist die Szene also definitiv nicht politisch desinteressiert oder gar unbedarft. Anders als bei politischen Parteien oder extremistischen Szenen wie Pegida, Links-Autonomen, Nazi-Kameradschaften etc. gibt es in der Szene vielleicht keine einheitliche politische Ausrichtung der Akteure. „Unpolitisch“ ist die Szene jedoch eindeutig nicht. Dieses Wort sollte aus den Beschreibungen gestrichen werden.

 

Das war es von mir,

Euer Victor von Void!

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Robert Forst

    Damit ich diesen Gedanken vertiefen kann, lieber Victor, möchte ich hier nochmal auf deinen Artikel eingehen. Du hast geschrieben:

    „Die Szene hat keine einheitliche politische Position, das Spektrum anzutreffender Meinung reicht von (leider) rechts außen bis links außen [….]“

    Und das ist auch schon des Pudels Kern, denn die Szene als solche ist unpolitisch, denn sie positioniert sich nicht eindeutig. Allerdings sind die Menschen der Szene, wie du schon richtig sagst, durchaus politisch interessiert oder sogar aktiv.

    Ich finde auch, die Szene sollte unpolitisch bleiben und sich gegen alle Vereinnahmungseinflüsse wehren. Ob das nur geht, wenn man politisch auftritt? Da bin ich mir unsicher. Ich finde den Stand des rechten VAWS Verlags genauso unpassend auf dem WGT wie der Stand der Piratenpartei beispielsweise.

    Wenn du schon sagst, die Szene wäre nicht unpolitisch, dann müsste man auch definieren, wo sie politisch einzuordnen ist, einen Szene-Rahmen schaffen, an den man sich als Mitglied der Szene halten kann oder der die Zugehörigkeit definiert, oder?

    1. Victor von Void

      Du hast recht, wenn man die Szene als Ganzes (im Folgenden nur noch „die Szene“) betrachtet. Die Beschreibungen, auf die ich mich beziehe, sprechen aber oft im gleichen Kontext über einzelne Szenegänger wie über die Szene, so dass der Unterschied nicht klar wird und bei Nicht-Szenekennern der Eindruck entsteht, dass die überweigende Mehrheit keine Meinung hat und einfach alles toleriert oder ignoriert.

      Ich denke wie Du, dass die Szene keine einheitliche politische Position haben muss, die wie bei manchen Fußballvereinen im Detail definiert ist. Ich fände es aber schon wichtig, wenn es den Konsens gäbe, keine extremistischen Positionen zu unterstützen oder auch nur gut zu heißen (was meiner Meinung nach durchaus der Fall ist, siehe Diskussionen um Symbolik, Songtexte etc.), und diesen auch nach aussen zu kommunizieren. Denn das ist eher nicht der Fall und einer der Gründe für die regelmäßig wiederkehrenden dämlichen Berichte in den Medien, wenn ein einzelnes Szenemitglied mal wieder einen geistigen Totalausfall hatte. Dann würden sich vielleicht auch nicht mehr Verlage wie der VAWS (der übrigens in den letzten Jahren immer noch mit seinem Musikvertrieb auf dem WGT vertreten war) so für die Szene interessieren.

      Insofern finde ich das Wort „unpolitisch“ auch problematisch, weil es eben nicht klar definiert ist und einen weiten Interpretationsspielraum zulässt, der öfter zu Fehleinschätzungen führt als für die Szene gut ist.