Nosferatu – Der Untote: Gothic-Meilenstein, feministisches Meisterwerk oder einfach fahles Remake?

Nosferatu… Hat euch der Hype auch abgeholt? Ich muss zugeben, als ich erfahren habe, dass es ein Remake des Klassikers von niemand geringerem als Robert Eggers geben wird, war die Vorfreude groß. Ich, als Freundin des deutschen expressionistischen Films und damit natürlich der Murnau-Verfilmung des Stoffes von 1921/22 (Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens), und ja, auch der Herzog-Version von 1978 (Nosferatu – Phantom der Nacht), beide Kinder ihrer ganz eigenen Zeit. Wie hätte diese Nachricht auch etwas anderes als Neugier in mir wecken sollen? Und von Eggers, dessen The Witch (2015) ich sehr schätze? Als dann noch der Cast mit Bill Skarsgård, den ich schon im Es-Remake (2017) sehr mochte, als Orlok, Lily-Rose Depp als Ellen und Willem Dafoe, wenn auch nur in einer Nebenrolle, geleaked wurde, war die Vorfreude WIRKLICH groß. So groß, dass mich die Verschiebung des ursprünglichen Starttermins auf den viel späteren 2. Januar 2025 schon beinahe traurig machte. Und – Spoiler – vielleicht war genau diese immense Vorfreude, diese Erwartungshaltung an Nosferatu – Der Untote mein letztliches Problem.

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Die Story

Ich zweifle zwar nicht wirklich daran, dass meine Leserschaft sehr genau weiß, worum es sich in Nosferatu dreht – der Vollständigkeit halber jedoch eine kurze Zusammenfassung: Als der junge Geschäftsmann Thomas Hutter sich Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts wegen eines Immobiliengeschäfts auf den Weg nach Transsilvanien macht, ahnt er wohl nicht, dass er in die Fänge des Grafen Orlok, mehr Kreatur als Mensch, gerät; eines Vampirs, den seine junge Ehefrau Ellen zuvor heraufbeschworen hat und welcher von da an unmittelbar mit ihr verbunden ist. Der Kauf der Immobilie ist nur ein Vorwand, eine Möglichkeit für den Untoten, bei seiner Geliebten, seiner Beschwörerin in deren Heimat Wisborg, einer kleinen deutsche Hafenstadt, zu sein. Und so begleitet der Graf Thomas unbemerkt, der sich nur mit großer Mühe aus dessen Fängen befreien und sich wieder auf den Weg in seine Heimat und zu seiner Ehefrau Ellen machen konnte. Von nun an sucht das Wesen nicht mehr die abergläubische rumänische Landbevölkerung heim, sondern treibt sein Unwesen zunächst auf dem Schiff, mit dem er und Hutter die Reise nach Wisborg bestreiten, und später in dem kleinen Hafenstädtchen. Und dessen nicht genug: mit sich bring das Schiff nicht nur den Tod in Gestalt des Grafen Orlok, sondern auch in jener der Pest, die nun unter der Bevölkerung wütet. Doch der Terror des Untoten hat nur ein Ziel: die Vereinigung mit seiner Verbundenen, seiner Beschwörerin: der jungen Ellen.

Kritik

Vorab kann man wohl sagen, dass dieses Remake vor Allem eines tut: es polarisiert. Kritiken und Stimmen, die es als Meisterwerk bezeichnen, stehen jenen Gegenüber, die Eggers Version des Horrorklassikers als absolut überflüssig sehen. Man liest von Lobgesängen auf Kostüm und Schauspiel, ebenso wie von großer Aufregung über Schnurrbärte, nur wenige Stimmen siedeln sich irgendwo dazwischen an. Doch ist es so einfach? Ist es so schwarz/weiß? Natürlich nicht.

Zugegeben, gerade zu Beginn des Filmes hatte ich meine Schwierigkeiten mit Graf Orlok. Röchelnd und gluckernd (deutsche Synchronisation) und in Schatten gehüllt empfängt er seinen Gast, Thomas, und die Zusehenden in seiner Burg. Hutter, offenbar extremst geängstigt und mit Tränen in den Augen (stabil umgesetzt durch Nicholas Hoult), versucht zu verstehen, wo er dort nur hineingeraten ist. Als Zuschauerin ging diese Szene für mich nicht auf. Der Graf wirkte auf mich in keinster Weise erschreckend, eher wie eine Figur aus einer Slapstick-Version des Stoffes. Die gluckernde Stimme, die wohl eben jene eines Sterbenden imitieren sollte, um eben möglichst untot zu wirken, bewirkte in mir eher ungewolltes Amüsement. Und warum hat Hutter diese extreme Angst gleich von Beginn an? Strahlt der nur schwer zu fassenden und zu erkennende Graf solch eine grauenerrgende Aura auf ihn aus? Auf mich, die im Kinosessel wirklich alles versuchte, maximale Immersion zuzulassen, jedenfalls nicht. Würde jeder Mensch (der in einer Welt lebt, in der man Vampire nicht kennt) nicht eher, wenigstens zu Anfang, irritiert sein durch diese merkwürdige Gestalt, die er nie im Lichte sieht (und damit auch nicht das genaue Ausmaß des monströsen Körpers) und die er noch gar nicht kennt? Gestaltung und auch Story haben mich hier nicht abgeholt.

Im weiteren Verlauf des Filmes gelingt es für mich nur langsam, die Kreatur in etwas zu verwandeln, vor dem man sich ernsthaft fürchten muss. Zugegeben, die lange und Unbehagen auslösende Szene, in welcher Orlok Thomas noch in Transsilvanien das Blut aussaugt, war schon sehr gelungen und hat sich definitiv durch ihren Ton und die etwas zu lange Sequenz eingebrannt. Aber bis dahin hatte mich die Figur leider gar nicht abgeholt. Nach und nach kamen mehr Szenen hinzu, beispielsweise jene, in der sich auf dem Schiff während der Überfahrt nach Wisborg der Untote im Schatten des Kajütendunkels vor den neugierigen Blicken eines Crewmitglieds verbirgt und es schließlich aus dem Dunkel heraus verschlingt. Später folgt eine weitere, sehr einprägende Szene, als sich die Kreatur dreier kleiner Kinder annimmt. Hier war für mich der Punkt dann auch erreicht, an dem ich Orlok als Bedrohung wahrnahm, damit aber leider auch erst hier, sehr sehr spät im Film.

Positiv jedoch, und auch das konnte ich erst spät im Film wirklich beurteilen, sei das Kostüm hervorzuheben. Eggers inszenierte einen wahren Untoten. Keinen eloquenten Aristokraten, sondern eine zerfallende Kreatur. Keinen schönen Liebhaber, dessen Charme die Frauen verfallen und zu seinen Opfern werden lässt, sondern ein Wesen, getrieben vom Urinstinkt der Vereinigung mit seiner Beschwörerin und der Zerstörung, dem einzigen Sinn seines verrottenden Lebens. Hierzu aber später noch einmal mehr.

Eggers Bildsprache gefiel mir mal mehr, mal weniger gut. Fangen wir vielleicht wieder bei dem an, was meiner Meinung nach absolut unnötig war: jump scares. Warum? Mehr kann ich dazu schon fast nicht sagen. Auf diese hätte einfach verzichtet werden können. Sie haben das Erlebnis für mich sogar erheblich gestört. Ich habe mir mehr kriechenden, sich langsam aufbauenden und in die Netzhaut einbrennenden Horror gewünscht. Natürlich war das der Versuch, diesen Stoff an moderne Sehgewohnheiten anzupassen. In meinen Augen jedoch absolut unnötig (und auch vergebens – diejenigen, die einen gewöhnlichen, modernen Horrorfilm erwartet haben, wurden sowieso enttäuscht und verließen frühzeitig das Kino – zumindest in der Vorstellung, in der ich war).

Aus ästhetischer Sicht gibt es jedoch absolut nichts auszusetzen – im Gegenteil: Eggers Bühnenbild ist, wie gewohnt, ein wahres Fest für jedes düstere Auge: stimmungsvoll, mit vielen kühlen düsteren Tönen, abwechselnd mit warmen Schattenspiel im Kerzenlicht – das hat mein Gruftiherz schon sehr glücklich gemacht.

Hinzu kam dann noch das wirklich sehr gelungenen Kostüm des Orlok und auch Ellens, die, eingeschnürt in ihr Korsett, ein wenig an Tim Burtons Bride Emily aus Corpse Bride erinnerte – absolut bezaubernd anzuschauen. Gefällt!

Mit dem Schauspiel hingegen hatte ich wieder ein wenig meine Probleme. Theatralisch, das beschreibt es wohl am besten. Wenn sich Ellen Hutter windet, ihren Mund aufreißt, ihre Augen verdreht, ist das zwar eine Hommage an diverse andere Horrorfilme, in welchen sich besessene Körper absurd verdrehen, aber leider ist auch hier der Grad zwischen Grusel und Slapstick sehr schmal. Ja – diese Theatralik passt zum Setting, zum Einbetten der Story in eine Zeit, in der Frauen schnell als hysterisch galten und es eben keinen Film, sondern Theater gab, dessen Schauspiel die Theatralik eben inhärent ist. Aber wozu? Auf der anderen Seite wird mit jump scares nur so um sich geworfen. Ist es nötig, mit dieser übertriebenen Theatralik dann wiederum zu versuchen, dem Werk auf der Metaebene eine zu der Story passenden zeitlichen Einbettung zu geben? Weniger wäre in diesem Fall meiner Meinung nach mehr gewesen, auch, wenn Lily-Rose Depp die Rolle hervorragend verkörpert und einmal mehr ihr Können unter Beweis stellt.

Leider ging es mir genauso mit der Rolle Willem Dafoes, dem zwischen Wissenschaft und Alchimismus schwankenden, ebenfalls überagierenden Professor Albin. Auch hier einfach drüber, wenn auch ebenfalls sehr gut gespielt.

Thomas Hutter hingegen erschien mir sehr flach. Die Umsetzung durch Nicholas Hoult war auch hier wieder nicht das Problem, denn diese war sehr gut. Die Tränen in den Augen, die wahre Angst, die er fühlte – Hoult vermittelt dies gut, auch wenn es sich für mich um eine nicht nachvollziehbare Reaktion in der entsprechenden Situation handelte. Trotz Allem blieb die Figur sehr dimensionslos. Vielleicht, weil Eggers, im Gegensatz zu seinen Vorgängern, den Fokus auf die weibliche Hauptperson legen wollte?

Und da kommen wir auch schon zum nächsten großen Punkt: Feminismus. Ist Nosferatu ein feministischer Film? Auch hier scheiden sich die Geister. Ist es zeitgemäß, dass die Kreatur, der Tod, im Grunde heraufbeschworen wird durch weibliche Lust? Denn genau das ist es, wodurch Graf Orlok wieder erweckt und letztlich Zerstörung und Tod über die kleine beschauliche stadt Wisborg gebracht wird. So einfach ist es jedoch mal wieder nicht. Und hier muss man wirklich einen Blick auf die Zeit richten, in der die Handlung angesiedelt ist. Frauen hatten zu dieser Zeit keine Sexualität, keine Begierden zu haben. Sie waren Beiwerk, Besitz und idealerweise Schmuckstück eines Mannes, nicht mehr und nicht weniger. Sie wurden in Rollen gepresst und hatten diese zu erfüllen, so wie Ellen in ein Korsett gepresst wird. Die einzige Lösung, die die Gesellschaft für eine unbequeme, sich nicht in die gängigen Gepflogenheiten integrierende junge Frau hatte, war die Heirat mit einem Mann. Schon sollte es ihr besser gehen, schon sollten sämtliche Probleme gelöst sein. Schon fanden Männer, die Angst vor der Sexualität und Selbstbestimmtheit der Frau hatten, ihren Seelenfrieden, indem sie diese vermeintlich kontrollierten. Doch so einfach ist war und ist eben nicht. Weibliche Sexualität konnte, kann und darf nicht weg geredet, verteufelt, dämonisiert werden. Als Resultat dieser Unterdrückung beschwor Ellen das Unheil wie einen Dämon herauf.

Gleichzeitig ist Ellen auch die die Einzige, die dem Unheil wieder ein Ende setzen kann. Durch die Befreiung ihrer Sexualität, durch ihre Vereinigung mit der Kreatur, die nicht nur für den Tod, sondern auch für die alte Welt steht, durch ihr eigenes Opfer rettet sie ihre Welt und schließt den Kreis. Denn nur sie ist, wie es ihr auch der Alchimist sagt, diejenige, die die Welt in die Moderne führen, vom Alten befreien kann. Steht das Monster im Horror doch für die alte Welt, die mit der Verbannung der weiblichen Sexualität heraufbeschwören wurde, so kann nur diese das Unheil auch wieder aus jener verbannen. Mit ihrer ausgelebten Sexualität, mit dem Opfer ihres eigenen Lebens und der Vereinigung mit dem Tod rettet Ellen Wisborg und die untätigen und ohnmächtigen Männer um sie herum und führt die Welt in eine neue Ära. Und jenes Bild, jene letzte Sequenz, mit der Eggers sein Werk schließt, der Moment vollkommener Hingabe bis in den Tod, ist für mich tatsächlich ein wahres Meisterwerk gewesen.

Fazit

Ich bin mit sehr hohen Erwartungen an Nosferatu herangegangen. Zum einen, weil ich die Ursprungsgeschichte (Bram Stokers Dracula) sehr schätze, zum anderen, weil ich den deutschen expressionistischen Film, zu welchem der in den 1920er Jahren erschienene Vorgänger zählt, für die Filmgeschichte als Meilenstein sehe und liebe. Und auch, weil meine Vorfreude auf dieses durch typische Gothic Motive geprägte Werk mit diesem Cast und Eggers als Regisseur, welcher atmosphärische Dunkelheit perfekt inszenieren kann, sehr groß war. Ich erwartete wohl ein utopisches Meisterwerk und dem konnte kein Film gerecht werden.

Abschließend lässt sich für mich also nicht sagen, dass es sich bei Nosferatu – Der Untote um eben jenes Meisterwerk handelt – jedoch ebenso wenig, dass man sich diesen Film nicht anschauen sollte. Wer auf fantastische, düstere Bilder, auf Atmosphäre und auf das ureigene Horrormotiv des Fremden, das in die zivilisierte Welt einbricht, steht, dem empfehle ich durchaus einen Besuch im Kino. Nicht umsonst erhielt Nosferatu bei den Oscars 2025 ganze 4 Nominierungen, die alle mit der gelungenen Ästhetik des Werkes zu tun (Beste Kamera, Bestes Szenenbild, Beste Kostüme, Bestes Make Up). Es sollte jedoch am besten von einem Vergleich mit den Vorgängerfilmen abgesehen werden, ebenso auch mit Bram Stokers Dracula (1992) von Coppola. Auch empfehle ich, ihn in der Originalversion zu sehen, denn ich habe nun schon öfter gehört, dass in dieser der Graf deutlich weniger ungewollt komisch klingt. Ich werde dies auf jeden Fall noch nachholen.

Wenn ich Nosferatu – Der Untote ranken müsste, bekäme er von mir wohl eine 5 von 10 möglichen Punkten.

PS: Die Schnurrbart-Diskussion habe ich als totally random empfunden, daher hier auch nicht weiter thematisiert.

Habt ihr Nosferatu – Der Untote auch gesehen? Lasst es mich in den Kommentaren wissen! Und natürlich interessiert mich, wie ihr ihn fandet!

Bis dahin, ihr Lieben, viel Spaß im Kino.

Eure

Mina Miau

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