Heute möchte ich, aus aktuellem Anlass, ein wenig über Trauer im Zeitalter von Social Media sprechen. Dieses Thema hat zwar nicht direkt etwas mit einer alternativen, subkulturellen Lebenseinstellung zu tun (indirekt aber irgendwie schon), jedoch ist es mir ein Bedürfnis.
Gestern ging die Nachricht, dass der italienische Schauspieler (ich beschränke mich mal auf den Beruf, für den er den Meisten im Gedächtnis sein dürfte) Carlo Pedersoli, besser bekannt als Bud Spencer, verstorben ist, wie ein Lauffeuer durch die Sozialen Netzwerke. Nur einen Tag zuvor kam man kaum an einer Meldung zum Tode des deutschen Schauspielers Götz George vorbei. Auch der Tod des US-amerikanischen Sängers Prince, sowie der des Gesamtkunstwerks David Bowie, beschäftigten die Nutzer Sozialer Netzwerke sehr intensiv und ausgiebig.
Nicht nur Prominente werden öffentlich medial betrauert – man erinnere sich auch an den Anschlag auf die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo und Je Suis Charlie, oder an die zahlreichen in den Farben der Landesflagge Frankreichs eingefärbten Facebook-Profilbilder nach den Terroranschlägen in Paris im November 2015 (selbes Bild nach den Anschlägen in Brüssel im März diesen Jahres). Auch heute morgen erreichte mich die Meldung, dass ein weiterer Terroranschlag auf die Türkei am Flughafen Atatürk in Istanbul verübt wurde, zuerst durch die Anteilnahme auf Sozialen Netzwerken (btw – was ist bloß los mit der Welt? – anderes Thema).
Hier werden Ereignisse öffentlich medial betrauert, die die Öffentlichkeit auch betreffen: das Ableben Personen öffentlichen Lebens, Terroranschläge als direkter Eingriff in die öffentliche Gesellschaft. Aber wie verhält es sich mit privater Trauer? Auch diese wird zunehmend in Sozialen Netzwerken vollzogen. Angehörige erinnern an Geburts- oder Todestagen mit entsprechenden Posts an die/den Verstorbene/n, mancher Post widmet sich gar dem verschiedenen Vierbeiner.
Tatsächlich habe ich mich bereits im Studium mit der Frage auseinander gesetzt, wie diese Form der Trauer und auch der Anteilnahme funktioniert. Ich muss zugeben: auf mich wirkte es im ersten Moment etwas befremdlich. Dies liegt daran, dass ich den öffentlichen Umgang mit Trauer nicht gewöhnt bin, denn in unserer Gesellschaft sind Trauer und Tod nicht mehr „zeitgemäß“. Bereits in meinem Post zur Dürer-Ausstellung habe ich dies näher beschrieben: gestorben wird in Altersheimen, der Tod hat keinen Platz in unserem Leben und in unserer Gesellschaft, nur Jugend und Schönheit sind erstrebenswert – Altern ist eine Schwäche. Trauer findet im Privaten statt, in der Familie, vielleicht auch noch im engen Freundeskreis. Aber bitte nur eine Woche – danach hat man wieder normal zu funktionieren. So sind wir heute geprägt – ganz anders, als es noch vor einigen Jahrzehnten üblich war oder in anderen Kulturen noch ist. Und genau deshalb erscheint es Vielen zunächst einmal fremd, ja gar unangebracht.
Die Entwicklung zur Trauer 2.0, zur medialen Verbreitung von Gefühlen und Erlebnissen des Einzelnen, ist jedoch die logische Konsequenz der allgemeinen Verlagerung unserer sozialen Aktivitäten in Soziale Netzwerke. Dinge, die im Prä-Internet-Leben mit der Familie, mit Freunden oder Bekannten face to face besprochen wurden, werden heute schnell und ohne weitere Verpflichtungen im Netzwerk geteilt. Anzeigen, die in Zeitungen geschaltet wurden, werden nun (auch) online geteilt – wer liest schon noch Zeitung?
Immer wieder findet man auch Einträge in den Netzwerken, die klar die Abneigung des jeweiligen Verfassers zu dieser Form der Trauer und Anteilnahme bekunden. Es ist aus oben erläuterten Gründen durchaus nachvollziehbar, dass es einigen befremdlich erscheinen mag, allerdings sollte doch jedem die Art und Weise, wie er trauern oder seine Anteilnahme kundtun möchte, selbst überlassen bleiben – egal, ob es sich auf öffentliche Ereignisse bezieht oder um private Trauer handelt. Heute teilen wir mit unseren Netzwerk-Freunden Veranstaltungen, an denen wir teilnehmen, Filme, die wir gesehen haben, Essen, welches wir zubereitet haben – warum nicht auch Trauer? Auch hier kann ich nur wieder an die Toleranz der Menschen appellieren: jedem das Seine. Niemand wird gezwungen, seine Gefühle öffentlich kund zu tun – ebenso sollte niemand gemaßregelt werden, der dies tun möchte – ganz unabhängig davon, was man allgemein von Sozialen Netzwerken hält, das ist ein anderes Thema.
Erscheint die Entwicklung zu dieser Form der Trauer, zur Mourning 2.0 doch zunächst befremdlich, entspricht sie eben doch dem Zeitgeist unserer Gesellschaft.
Dies sind meine Gedanken zu dieser Thematik. Ich bin offen für Diskussionen. Gern eure Meinung in die Kommentare.
Eure