Project Pitchfork Konzert in Mannheim – meine gefühlte Wiederbelebung

Da scrollte ich neulich so durch meinen Facebook-Feed (was ich wirklich relativ selten mache, weil Facebook) und checkte die Veranstaltungen in meiner Nähe. Nur so, um mich wenigstens ansatzweise mal wieder lebendig zu fühlen. Denn ich muss sagen, seit gewissen globalen pandemischen Zuständen, auf die ich nicht näher eingehen möchte, habe ich nicht mehr ganz so viele schwarze Veranstaltungen (oder überhaupt Veranstaltungen) besucht. Ob Konzert, Grufti-Disko oder düster-mobider Kinoabend, so ziemlich alles fand ohne mich statt. Aus Gründen. Doch dieses Mal war es anders: da ploppte tatsächlich mal wieder eine Veranstaltung auf, die mich doch sehr interessierte: Project Pitchfork, die ich aus meiner absolut reinen und subjektiven Sicht durchaus als Pioniere auf dem deutschen elektronischen, dark-wavigen Gebiet bezeichnen möchte und die ganz bestimmt den meisten meiner Leser ein Begriff sind, spielten ein Konzert im nahegelegenen Mannheim, genauer gesagt im MS Connexion Complex, Location für subkulturelle Events und Konzerte verschiedenster Art.

Bühne Project Pitchfork

Und warum war das jetzt so besonders? Das Konzert war angesetzt für den Geburtstag vom Gruftigatten Victor von Void, für den, wie ihr lesen könnt, die Band eine große Bedeutung für seinen Weg in die Gothic-Szene hatte und die ihn nunmehr mit ihrer Musik seit 25 Jahren begleitet. Nach kurzem Hadern aufgrund der allgemeinen Situation (ja, ich weiß, wir sind gefühlt die einzigen Menschen auf dem Planeten, die sich noch zurück halten) war der Entschluss dann aber doch recht schnell gefasst: welch besseren Anlass gibt es, ein Konzert zu besuchen, als Geburtstagsbespaßung mit ernsthafter Bedeutung für den Bespaßten, um sich endlich subkulturell wiederbelebt zu fühlen? Und ja, genauso fühlte es sich an, aber mehr dazu später. Also flugs Karten bestellt.

So reisten wir dann am besagten Samstag nach Mannheim zum „Connex“, vor welchem sich schon eine wunderhübsche schwarze Besucherschlange gebildet hatte, die bereits für einen kleinen Freudenschrei meinerseits ausreichte : Ahhh, wie ich das vermisst habe. Entsprechend ausgehen gehört für mich zu meiner Szeneidentität definiv dazu, das habe ich jetzt wieder einmal gemerkt.

Mina und Victor vor dem Connex
Victor und Mina vor dem Konzert: sieht man den Freudenschrei in meinem Gesicht etwa nicht? #restinggothface

Das vorherige Ritual des musikalisch begleiteten Aufbrezelns, die dazu gehörende Vorfreude, die Ankunft an und in der Location, bei der mich bis heute (nach 21 Jahren Szenezugehörigkeit) noch immer ein wohliges und gleichzeitig aufgeregtes Gefühl überkommt; die wunderhübschen Menschen, die ich in der Regel nicht einmal persönlich kenne, denen ich mich jedoch gleich zugehörig fühle, der gemeinsame Genuss der Musik, das kollektive Ausleben – all das finde ich für mich wichtig. Na klar, ich bin auch im Alltag schwarz, ganz für mich allein. Aber das gehört einfach auch dazu.

 

In der Location angekommen, mal wieder kurz vor knapp natürlich, war es überraschenderweise doch noch relativ leer, obwohl bereits kurz vor offiziellem Konzertbeginn. So konnten wir uns doch relativ nah an der Bühne noch einen Platz erhaschen. Nicht, dass ich es super finde, vor der Bühne mit den anderen Gästen zu kuscheln, im Gegenteil; aber als kleiner Mensch habe ich quasi keine andere Wahl, möchte ich vom Konzert etwas sehen (this struggle is real – shoutout an meine Mitleidenden da draußen, die sich dann doch immer wieder ein Plätzchen suchen; vor allem an die introverts, wie ich). Nun ist es aber natürlich so, dass es vor den Pitchies noch eine Vorband gab. Chemical Sweet Kid, die sich selbst als Electronic Industrial Metal Band bezeichnen, betraten ziemlich pünktlich zum offiziell angegebenen Konzertbeginn die Bühne. Ich bin ja zugegebenermaßen nicht so im Industrial verankert. Klar, ich kenne und schätze z.T. auch die Klassiker, da hört es bei mir aber auch schon auf. Wenn elektronisch ist es bei mir doch meist waviger. Am liebsten hab ich aber Bass und Gitarren. Daher halte ich mich bezüglich einer Beurteilung der Formation mal dezent zurück und überlasse sie euch Fachleuten auf dem Gebiet da draußen. Ich perönlich finde, dass sich vieles einfach nach „Ist doch alles schonmal da gewesen“ anhört. Aber ich bin ja auch alt 😉

Chemical Sweet Kid
Chemical Sweet Kid, MS Connection Complex, 07. Mai 2022

Lange ließen dann auch Project Pitchfork nicht mehr auf sich warten und betraten die mittlerweile doch gut gefüllte Konzerthalle. Und spätestens als Peter Spilles auf die Bühne kam, war alles wie immer. Die Freude im Publikum, die fühlbare und sichtbare, ja ich möchte schon sagen Extase bei dem ein oder anderen Zuschauer – wie habe ich das alles vermisst.

Project Pitchfork
Project Pitchfork, MS Connection Complex, 07. Mai 2022
Project Pitchfork
Project Pitchfork, MS Connection Complex, 07. Mai 2022
Project Pitchfork
Project Pitchfork, MS Connection Complex, 07. Mai 2022

Bei ihrem vierten Konzert ihrer schlicht betitleten „Project Pitchfork Tour 2022“ beglückte die Band ihre Fans mit insgesamt 22 Songs und zwei Zugaben. Ein rundes Konzert, mit guter Stimmung und ohne Pannen – PP sind halt Profis nach all den Jahren – und einer ungefähren Dauer von zwei Stunden. Taten uns danach Füße und Rücken weh, weil wir alt, unsportlich und aus der Übung sind sind? Ja! War es das wert? Absolut! Endlich wieder live Musik genießen, endlich wieder Künstler, die ihr Publikum zu schätzen wissen und es wahrnehmen, erleben. Meine Highlights? Definitiv Souls, Alpha Omega und K.N.K.A (momentan mal wieder passender denn je zur Beschreibung der Menschheit) live zu sehen.

Project Pitchfork Connex
Project Pitchfork, MS Connection Complex, 07. Mai 2022
Project Pitchfork
Project Pitchfork, MS Connection Complex, 07. Mai 2022

Was ich an diesem Abend wieder bemerkt habe: es ist einfach eine spezielle Subkultur, in der wir uns befinden. Menschen machen sich gegenseitig Platz, damit auch Zwerge wie ich etwas sehen oder auch mal das ein oder andere Foto machen können, es wird sich nicht selten gegenseitig angelächelt, Fremde sprechen einen auf Bandshirts oder Patches an, es gibt gegenseitige Hinweise auf fehlendes Toilettenpapier (tmi – #sorrynotsorry). Subkultur, absolut; solch ein Verhalten kenne ich aus der Welt da draußen schlichtweg nicht. Romatisiere ich vielleicht auf Grund meines viel zu lange andauernden Entzugs gerade unsere Szene etwas und habe alles ein bisschen durch die rosaschwarze Brille gesehen? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht, denn der anschließende mitternächtliche Ausflug in ein namentlich nicht näher erwähntes aber durchaus bekanntes Fastfood Restaurant (ja, auch sowas muss mal alle 10 Jahre sein) und der direkten anschließenden Konfrontation mit den Menschen dort, hat mich wieder darin bestärkt, dass unsere Szene einfach eine absolute und wertvolle Ausnahmewelt ist. Nach diesem Konzert habe ich mich jedenfalls endlich mal wieder lebendig gefühlt, als Teil der subkulturellen Welt da draußen, ja gar ein bisschen wiederbelebt (undead), nach meinem ca. 2 -jährigen Sterbeprozess ausschließlich in der „Arbeits- und Verpflichtungswelt“.

So, genug Lobgesang für heute. Oder habt ihr dem vielleicht noch etwas hinzuzufügen? Wie fühlte sich eure Wiederbelebung an oder habt ihr es gar nicht so empfunden?

Übrigens war das nicht unser erster Besuch eines Pitchfork-Konzerts: Auf meinem alten Blog habe ich schon einmal einen Post dazu verfasst, damals zum 25-jährigen Bandjubiläum und der dazugehörigen Tour. Sogar mit YouTube-Video. Das waren noch Zeiten, als ich als Studentin noch Zeit für solche Dinge hatte 😀 …

Bis bald, ihr wunderbaren Schwarzkittel.

Eure (hoffentlich auch hier wiederbelebte)

Mina Miau

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